Glossar
Experten aus den EWR/EFTA-Staaten werden für einen Zeitraum von zwei bis vier Jahren zur Kommission oder in eine ihrer Agenturen entsandt. Dies kann entweder durch die Beteiligung der EWR-EFTA-Staaten an EU-Programmen und Agenturen oder durch bilaterale Übereinkünfte erfolgen. Während ihrer Entsendung sind die Experten für die EU-Institutionen tätig und tragen mit ihren Fachkenntnissen und ihrem Wissen über das EWR-Abkommen und über die spezifischen Umstände in den EWR-EFTA-Staaten zum Gesetzgebungsprozess bei.
Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen)
Der Europäische Wirtschaftsraum vereint die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und der drei EFTA-Staaten – Island, Liechtenstein und Norwegen – in einem gemeinsamen Binnenmarkt, der den freien Waren-, Dienstleistungs-, Kapital- und Personenverkehr ermöglicht. Das EWR-Abkommen garantiert die Gleichbehandlung von Einzelpersonen und Marktteilnehmenden in diesem Binnenmarkt. Es wurde im Mai 1992 unterzeichnet und ist im Januar 1994 in Kraft getreten.
Anhänge und Protokolle des EWR-Abkommens
Die Rechtstexte des EWR-Abkommens umfassen 129 Artikel, 22 Anhänge, 52 Protokolle und einen Schlussakt. Die Anhänge enthalten eine Auflistung der im EWR anwendbaren EU-Rechtsakte einschliesslich Anpassungen. Einige der Protokolle beinhalten Bestimmungen über bestimmte Bereiche wie Ursprungsregeln, Zusammenarbeit ausserhalb der vier Freiheiten (Teilnahme an EU-Programmen) und vereinfachte Zollverfahren. Protokoll 1 enthält horizontale Anpassungen, welche auf alle Rechtsakte anwendbar sind, auf die in den Anhängen verwiesen wird.
Anpassungen an EU-Rechtsakte
Eine Anpassung an einen EU-Rechtsakt bedeutet, dass die massgeblichen Bestimmungen dieses Rechtsakts für die Zwecke des EWR in einer bestimmten Art und Weise auszulegen sind. Anpassungen dienen häufig der Einpassung in den Rahmen des EWR-Abkommens oder der Festlegung der Rechtsstellung der EWR-EFTA-Staaten. Anpassungen können jedoch auch die Rechte und Pflichten der Behörden in den EU-Mitgliedstaaten oder der Institutionen der Europäischen Union betreffen oder Mechanismen zur Zusammenarbeit zwischen dem EU- und dem EFTA-Pfeiler des EWR vorsehen.
Beschleunigtes Verfahren
Ein Übernahmeverfahren für Rechtsakte, die keine horizontalen Herausforderungen enthalten, keine Anpassungen erfordern und nicht mit verfassungsrechtlichen Anforderungen einhergehen. Die EWR-EFTA-Staaten haben eine Liste mit Kategorien von Rechtsakten erstellt, für die sich dieses Verfahren anbietet. Darüber hinaus kann das EFTA-Sekretariat das beschleunigte Verfahren auch für Rechtsakte einleiten, die nicht den vordefinierten Kategorien zuzuordnen sind, wenn es die Kriterien als erfüllt erachtet.
Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses
EWR-relevante Rechtsakte werden mittels Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses in das EWR-Abkommen übernommen. Artikel 102 Absatz 1 des EWR-Abkommens sieht vor, dass der Gemeinsame EWR-Ausschuss so rasch wie möglich nach Erlass eines EWR-relevanten EU-Rechtsakts einen Beschluss zur entsprechenden Änderung des EWR-Abkommens fasst, damit diese Vorschriften im gesamten EWR gleichzeitig angewendet werden können.
EFTA
Die Europäische Freihandelsassoziation (European Free Trade Association – EFTA) ist eine internationale Organisation, der Island, Liechtenstein, Norwegen und die Schweiz angehören und die der Förderung des freien Handels und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit dient. Eine der Hauptaufgaben der EFTA ist die Verwaltung des EWR-Abkommens.
EFTA-Arbeits- oder Expertengruppe
Arbeits- und Expertengruppen sind Teil der Unterstruktur des Ständigen Ausschusses. Sie werden in verschiedenen Politikbereichen eingerichtet, setzen sich aus Fachleuten aus den EWR-EFTA-Staaten zusammen und sind für die Vorbereitung sämtlicher zur Übernahme in das EWR-Abkommen anstehender EU-Rechtsvorschriften verantwortlich.
EFTA-Gerichtshof
Der EFTA-Gerichtshof in Luxemburg ist zuständig für die drei EWR-EFTA-Staaten. Die Zuständigkeit des EFTA-Gerichtshofs deckt sich im Wesentlichen mit jener des Gerichtshofs der Europäischen Union für die EU-Mitgliedstaaten. Vor dem EFTA-Gerichtshof werden Vertragsverletzungsverfahren verhandelt, die die EFTA-Überwachungsbehörde hinsichtlich der Umsetzung, Anwendung oder Auslegung von EWR-Recht gegen einen EWR-EFTA-Staat einleitet. Der EFTA-Gerichtshof erlässt zudem auf Antrag von Gerichten in den EWR-EFTA-Staaten Vorabentscheidungen zur Auslegung von EWR-Vorschriften und führt Rechtsmittelverfahren gegen von der EFTA-Überwachungsbehörde getroffene Entscheidungen durch.
EFTA-Sekretariat
Der Hauptsitz des EFTA-Sekretariats befindet sich in Genf, mit Büros in Brüssel und Luxemburg. Das Sekretariat in Brüssel unterstützt die Verwaltung des EWR-Abkommens einschliesslich der Aufbereitung neuer EU-Rechtsvorschriften zur Übernahme in das EWR-Abkommen und der Ausarbeitung von Stellungnahmen zur Beschlussfassung in der EU.
Die ESA überwacht die Einhaltung des EWR-Abkommens in Island, Liechtenstein und Norwegen und schützt die EWR-Rechte von Einzelpersonen und Unternehmen.
EU-Komitologieausschüsse
EU-Komitologieausschüsse setzen sich aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten zusammen und unterstützen die Kommission bei der Ausarbeitung von Durchführungsrechtsakten. (Durchführungsrechtsakte sind rechtsverbindliche Vorschriften, die es der Kommission erlauben – unter Aufsicht von Ausschüssen mit Vertretern der EU-Mitgliedstaaten – die Rahmenbedingungen zu schaffen, um zu gewährleisten, dass das EU-Recht einheitlich angewendet wird.) Vgl. Artikel 100 EWR-Abkommen.
EU-Programmausschüsse
EU-Programmausschüsse sind für die Weiterentwicklung und Verwaltung der EU-Programme ausserhalb der vier Grundfreiheiten zuständig. Vgl. Artikel 81 EWR-Abkommen.
EWR-Beilage zum Amtsblatt der Europäischen Union (ABl.)
Bei der EWR-Beilage handelt es sich um ein wöchentlich erscheinendes Gesetzesblatt, das Texte der EFTA- und EU-Institutionen mit Bedeutung für den EWR enthält und in isländischer und norwegischer Sprache auf der Website des EFTA-Sekretariats veröffentlicht wird.
EWR-EFTA-Experte
Experten der EWR-EFTA-Staaten, die einer EFTA-Arbeits- oder Expertengruppe angehören und so einen Betrag zur Übernahme von EU-Rechtsakten in das EWR-Abkommen leisten.
EWR-EFTA-Staaten
Bei den EWR-EFTA-Staaten handelt es sich um jene EFTA-Staaten, die am EWR-Abkommen teilnehmen: Island, Liechtenstein und Norwegen, Die Schweiz, das vierte EFTA-Mitglied, ist hingegen nicht Teil des EWR. Stattdessen werden die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU durch eine Reihe von bilateralen Abkommen geregelt.
EWR-EFTA-Stellungnahmen
Die EWR-EFTA-Staaten können sich in die Entscheidungsfindung in Bezug auf neues EU-Recht einbringen, indem sie EWR-EFTA-Stellungnahmen zu wichtigen politischen Themen an die europäischen Institutionen übermitteln. Typische EWR-EFTA-Stellungnahmen betreffen Gesetzgebungsinitiativen der Kommission wie Grünbücher oder Gesetzgebungsvorschläge. Sie beinhalten eine kurze Erläuterung und Vorschläge.
Herausforderungen des EWR oder horizontale Herausforderungen
Diese können sich ergeben, wenn sich eine Bestimmung in einem Rechtsakt oder Gesetzgebungsvorschlag inhaltlich oder strukturell auf EWR-Recht oder den institutionellen Rahmen des EWR auswirkt. EWR-Herausforderungen können z. B. im Zusammenhang mit von EU-Institutionen oder -Einrichtungen verhängten Bussgeldern, Verweisen auf strafrechtliche Sanktionen oder Bestimmungen, die Drittländer betreffen, entstehen.
EWR-Relevanz
EU-Rechtsakte gelten als EWR-relevant, wenn sie zur Erfüllung des in Artikel 1 des EWR-Abkommens genannten Ziels beitragen, also im Zusammenhang mit dem EU-Binnenmarkt und gleichen Wettbewerbsbedingungen stehen.
Einflussmöglichkeit bei der Beschlussfassung
Die Möglichkeit der EWR-EFTA-Staaten, sich unmittelbar an der fortlaufenden Weiterentwicklung des EU-Binnenmarkts zu beteiligen, ist ein wesentliches und einzigartiges Element des EWR-Abkommens. Diese Möglichkeit ist sind für die EWR-EFTA-Staaten von besonderer Bedeutung, da sie nicht an der Beschlussfassung in der EU teilnehmen.
Generalsekretariat
Seit dem 1. Januar 2022 ist das Generalsekretariat der Europäischen Kommission im Namen der Europäischen Union (EU) für die Koordination des EWR-Integrationsprozesses zuständig. Zuvor war der Europäische Auswärtige Dienst (EAD) dafür zuständig.
Expertengruppen der EU-Kommission
Expertengruppen der EU-Kommission bestehen aus Fachleuten aus den EU-Mitgliedstaaten, die die Kommission bei der Ausarbeitung von Gesetzgebungsvorschlägen, politischen Initiativen und delegierten Rechtsakten (rechtsverbindlichen Vorschriften, die es der Kommission erlauben, nicht wesentliche Elemente von EU-Rechtsakten zu ergänzen oder zu verändern, z. B. zur Definition detaillierter Massnahmen) beraten. Vgl. Artikel 99 Absatz 1 EWR-Abkommen.
Gemeinsamer EWR-Ausschuss
Der Gemeinsame EWR-Ausschuss tagt in der Regel sechs- bis achtmal pro Jahr und ist für die Verwaltung des EWR-Abkommens sowie sein reibungsloses Funktionieren verantwortlich. Dieses Forum dient dem Meinungsaustausch und der einvernehmlichen Beschlussfassung hinsichtlich der Übernahme von EU-Recht in das EWR-Abkommen. Er besteht aus Vertretern der Europäischen Kommission (dem Generalsekretariat), den drei EWR-EFTA-Staaten (üblicherweise auf Botschafterebene) und einem Beobachter der EFTA-Überwachungsbehörde (ESA).
Generaldirektion der Kommission
Eine Generaldirektion (GD) ist eine Verwaltungseinheit der Europäischen Kommission, die jeweils für einen bestimmten Politikbereich zuständig ist.
Liste mit Entwürfen für Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, die zur Annahme bereit sind („Long list“)
Die Liste enthält Entwürfe für Beschlüsse des Gemeinsamen EWR-Ausschusses, die bereits zur Bearbeitung und Stellungnahme an dem Generalsekretariat der Europäischen Kommission übermittelt wurden und als zur Annahme bereit erachtet werden.
Normales Verfahren
Das normale Verfahren dient zur Übernahme von Rechtsakten in das EWR-Abkommen, auf welche weder das beschleunigte noch das vereinfachte Verfahren Anwendung finden. (Das vereinfachte Verfahren gilt nur für bestimmte Bereiche im Tätigkeitsgebiet der EFTA-Arbeitsgruppe für die Lebensmittelkette.)
Sonderausschuss (Norwegen)
Ein eigens für EWR-Angelegenheiten eingesetzter Sonderausschuss („spesialutvalg“), der die Zusammenarbeit der Ministerien in Norwegen unterstützt.
Stabsstelle EWR (Liechtenstein)
Die Stabsstelle EWR ist die Ansprechpartnerin für alle Arten von EWR-Angelegenheiten, insbesondere rechtliche Fragen. Sie koordiniert die Übernahme und Umsetzung von EWR-Rechtsakten. Die Stabstelle untersteht dem Regierungschef.
Der Ständige Ausschuss der EFTA-Staaten dient als Forum, in welchem sich die EWR-EFTA-Staaten gegenseitig konsultieren und zu einer gemeinsamen Haltung finden, bevor sie sich mit der EU im Gemeinsamen EWR-Ausschuss treffen. Er setzt sich aus den Botschaftern Islands, Liechtensteins und Norwegens bei der EU sowie Beobachtern der Schweiz und der EFTA-Überwachungsbehörde zusammen. Der Aufbau des Ausschusses besteht aus fünf Unterausschüssen (Subkomitees), welchen zahlreiche Arbeits- und Expertengruppen unterstehen.
Substanzielle Anpassungen
Bei substanziellen Anpassungen handelt es sich um Abweichungen von bzw. Änderungen der im Rechtsakt festgehaltenen Systeme oder Regelungen. Beispielsweise können substanzielle Anpassungen erforderlich sein, um die Vereinbarkeit eines Rechtsakts mit den verfassungsrechtlichen Grenzen der EWR-EFTA-Staaten und der Zwei-Pfeiler-Struktur des EWR-Abkommens zu gewährleisten. Sie unterscheiden sich von technischen Anpassungen, durch die der Teilnahme der EWR-EFTA-Staaten am Binnenmarkt Rechnung getragen wird, ohne dass sich dies auf den materiellen Inhalt der Rechtsvorschriften auswirkt.
Verfassungsrechtliche Anforderungen
Wenn mittels Beschluss des Gemeinsamen EWR-Ausschusses ein Rechtsakt in das EWR-Abkommen übernommen wird, der in einem EWR-EFTA-Staat eine Änderung der nationalen Gesetzgebung erfordert, (d. h. Verabschiedung von neuen oder Änderung von bestehenden Gesetzen), ist vor dem Inkrafttreten die Zustimmung des nationalen Parlaments notwendig. Ist dies der Fall, wird bei der Übernahme des Rechtsakts mitgeteilt, dass „verfassungsrechtliche Anforderungen“ bestehen.